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17.06.2019
Frauen*streiktag in Liechtenstein
Der Dornröschengarten alias Peter-Kaiser-Platz in Vaduz erstrahlte am 14. Juni 2019 in besonderem Glanz. Überall hingen violette Ballone und Fähnchen, waren Liegestühle, Festsbänke und Stände aufgestellt. Die Stimmung unter den Anwesenden war trotz kämpferischen Parolen und klaren Forderungen fröhlich und feierlich.
Um 15.30 Uhr marschierte das vorwiegend violett gekleidete Streikkomitee ein. Angeführt vom musikalischen Duo „la machine à laver“ erntete die Parade mit elf „Leiterlewagen“, eines pro Gemeinde, von den gut 250 anwesenden Frauen, solidarischen Männern und Kindern grossen Applaus. Ebenfalls unter starkem Beifall hisste Helen Marxer nach dem Einzug die Fahne, die anlässlich des 10 Jahr Jubiläums zum Frauenstimmrecht 1994 angefertigt wurde, bevor Martina Haas die Gäste begrüsste. „Zwar hat Liechtenstein seit 20 Jahren ein Gleichstellungsgesetz, mit der Umsetzung hapert es jedoch noch gewaltig“ so Haas. Nach wie vor wird mehr unbezahlte Arbeit geleistet als bezahlte, und dies hauptsächlich von Frauen. Auch bleibt den Frauen aufgrund familiärer Verpflichtungen der Zugang zu höheren Positionen allzu oft verwehrt. Zudem hat der Lohn Einfluss auf die Vereinbarkeit von Familie und Erwerb, da öfters die schlechter bezahlte Person ihr Pensum reduziert und dies ist meist die Frau. Damit zusammenhängend sind Frauen öfters von Altersarmut betroffen. Aus all diesen Gründen ist eines der zentralen Anliegen die Lohngleichheit. Im Anschluss an die Begrüssung übergaben Conny Büchel-Brühwiler und Petra Eichele vom Streikkomitee das von ihnen verfasste Manifest mit sieben Forderungen zur Gleichstellung an Regierungsrätin Aurelia Frick. Sie hätten es gerne dem zuständigen Gesellschaftsminister Mauro Pedrazzini überreicht, der jedoch hatte anderes zu tun, wie er am Vortag im Radio Liechtenstein verlauten liess. Dafür erntete er laute Buhrufe von den Anwesenden. Aufgrund der aktuellen Ereignisse verzichtete Regierungsrätin Aurelia Frick auf die vorbereitete Rede und wandte sich mit persönlichen Worten an die Gäste. Nach der Ansprache der Regierungsrätin, einer musikalischen Einlage von „la machine à laver“ sowie den Dankesworten von Martina Haas zog die fröhliche Menge aus Frauen, Männern und Kindern mit Transparenten auf einer 38 Meter langen Wäscheleine um das gesamte Vaduzer Städtle. Wie schon am ersten Frauen*streik 1991 zeigten die Frauen auf, dass die Wäsche immer noch nicht gemacht ist. Es gibt noch viel zu tun in der Gleichstellungspolitik. Nach der Kundgebung hörten die Anwesenden gespannt Conny Büchel-Brühwiler und Petra Eichele bei der Vorstellung des Manifests zu und würdigten deren Arbeit mit lautem Beifall. Ebenso erntete die vom Verein Hoi Quote organisierte Lesung an der BuchBar regen Applaus. Verfasserinnen lasen ihre Kolumne aus der Publikation „Frauen. Sichtbar. Hörbar.“ vor. Ein starkes Zeichen ging auch vom Gehörlosenkulturverein aus, der aktiv an der Organisation des Streiktags beteiligt war. Deshalb wurden auch alle Reden, Statements, Kolumnen und Liedertexte in Gebärdensprachen übersetzt. Frauen und Männer vom internationalen Frauencafé boten vor Ort zubereitete Speisen an, von Männern gebackener Kuchen wurde verkauft und es gab ein Frauen*streik-Bier und eine Frauen*streik-Bowle. Trotz klaren Forderungen war die Stimmung beim zweiten Frauen*streik sehr gut und ausgelassen. Auch wenn wir Frauen in Liechtenstein uns im Vergleich zu anderen Ländern in einer privilegierteren Position befinden ist dies kein Grund, nicht gegen weiterhin bestehende Diskriminierungen anzukämpfen.