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11.08.2022
Fortschritt geht anders
Lange hielten die Arbeitgeberverbände ihre Stellungnahme zur Übernahme der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben unter Beschluss. Erst im Volksblatt-Interview vom 5. August mit dem bezeichnenden Titel: „Es muss uns gelingen, als Arbeitsort attraktiv zu bleiben“ liess sich LIHK-Geschäftsführerin Brigitte Haas in die Karten blicken
Ein Kind sei eine persönliche Entscheidung, für die man auch Verantwortung tragen müsse. Bei Inanspruchnahme der Elternzeit sinke das Einkommen ja nicht auf Null, da der andere Elternteil in der Regel weiterarbeite. Daher sprächen sich die Wirtschaftsverbände lediglich für eine Grundsicherung statt einem prozentualen Anteil des Lohns aus. Schliesslich falle das Geld ja nicht vom Himmel. Wie immer bei arbeitnehmerfreundlichen Richtlinien machen sich die Arbeitgeberverbände für die Umsetzung der absoluten Mindestvorgaben stark, um den Wettbewerbsvorteil „Niedrige Lohnnebenkosten bei relativ hohen Löhnen“ nicht zu gefährden. Offensichtlich sind sie immer noch nicht in der Realität angekommen. Der Lohn alleine ist schon lange nicht mehr das ausschlaggebende Argument im zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte. Immer mehr Eltern wünschen sich, ihr Kind im ersten Lebensjahr selbst zu betreuen. Deshalb verlangt die dritte Richtlinie zur Elternzeit erstmals eine Entschädigung, um möglichst vielen Familien die Elternzeit unter Fortführung eines angemessenen Lebensstandards zu ermöglichen. Dagegen zementiert eine minimale Grundvergütung lediglich ein überholtes Rollenbild. Weiterhin werden Mütter zuhause bleiben, während Väter auf die ursprünglich gewünschte Elternzeit verzichten. Wir hätten uns von den Wirtschaftsverbänden mehr Weitsicht gewünscht, einerseits in Bezug auf das Wohl der Familien und der Gesellschaft, andererseits hinsichtlich ihres Bemühens um Fachkräfte und die Erhöhung des Frauenanteils in der Arbeitswelt. Demgegenüber hat das Amt für Volkswirtschaft die Zeichen der Zeit erkannt, wie aus dem Volksblatt-Interview vom 8. August mit Amtsleiterin Katja Gey hervorgeht. Aus ihrer Sicht „ist die Umsetzung der Elternzeit, die auch tatsächlich genutzt werden kann, ein ganz wichtiges Element für die künftige Attraktivität unseres Standorts für Arbeitnehmende und Familien“. EU-Mindestvorgaben schaffen dies nicht ansatzweise, wie die zwei vorangegangenen Richtlinien zur Elternzeit eindrücklich belegten. Sigi Langenbahn, Präsident LANV